Die niedrigen Zinsen bereiten den deutschen Lebensversicherern immer mehr Probleme. Zwar habe sich der deutsche Versicherungsmarkt bislang trotz der schwierigen Marktbedingungen als widerstandsfähig erwiesen, sagte Christian Badorff, Analyst bei der Ratingagentur Standard & Poor’s (S&P). Auch bewerte S&P die deutschen Versicherer durchschnittlich weiterhin mit “A”. “Aber unser Ausblick für die Lebensversicherer ist negativ, weil sie abhängiger von der Zinsentwicklung sind”, sagte Badorff.
2012 könnten die Versicherer bei Neuanlagen nur noch zwischen 2,6 Prozent und 3,2 Prozent Verzinsung erzielen, sagte er. 2011 waren es noch rund 3,5 Prozent. Das sei sehr nahe an oder sogar unter den Garantiezinsen, die Lebensversicherer ihren Kunden zugesagt haben. Standard & Poor’s schätzt den Satz auf durchschnittlich 3,1 Prozent der Kapitalanlagen.
Die Lebensversicherer versuchten, mit verschiedenen Mitteln gegenzuhalten. Dazu gehöre die Verlängerung der sogenannten Duration, also der durchschnittlichen Laufzeit von festverzinslichen Papieren. “Damit kann man die höheren Zinsen bei länger laufenden Papieren nutzen”, sagte Badorffs Kollege Ralf Bender. Allerdings sei das 2012 schon schwieriger als noch 2011, weil die Zinsunterschiede nicht mehr so hoch seien. Dennoch: “Die Duration für Neuanlagen liegt 2012 etwa ein halbes Jahr über dem Wert von 2011.”
Außerdem nehmen die Versicherer höhere Risiken bei Kapitalanlagen in Kauf, senken die Überschussbeteiligungen für die Kunden ab und suchen höhere Risikogewinne. Daneben baue die Branche ihren Produktmix um und versuche, mehr Policen ohne lang laufende Garantien zu verkaufen.
Das heutige niedrige Zinsumfeld könnten die Lebensversicherer, die S&P bewertet, noch eine Weile aushalten. In den kommenden fünf Jahren jedenfalls hätte keine Gesellschaft Pobleme, die den Kunden gegebenen Garantien zu erfüllen, sagte Badorff.
In der Schaden- und Unfallversicherung seien die Unternehmen im allgemeinen besser mit Kapital ausgestattet. Die Preiserhöhungen in der Auto- und der Gebäudeversicherung sorgten für eine verbesserte Gewinnsituation.
S&P sieht für die gesamte Branche die Notwendigkeit, die Kosten zu senken. “Vertriebs- und Verwaltungskosten werden zunehmend zu einem Wettbewerbsfaktor”, sagte Bender. Außerdem nehme das Vertrauen der Kunden in die Versicherer ab. Besonders betroffen seien die Lebensversicherer – dazu trugen “ungünstige Medienberichte”, Forderungen nach mehr Produkttransparenz und die oft gehörte Behauptung bei, die Produkte lohnten sich nicht.
Badorff sieht einen nach wie vor hohen Bedarf nach Lebensversicherung. Der Rückgang der Prämie sei 2011 geringer ausgefallen als erwartet. Das hing mit dem Schlussverkauf Ende des Jahres zusammen, denn der Garantiezins wurde zum Jahreswechsel von 2,25 Prozent auf 1,75 Prozent gesenkt. Jetzt habe der Schlussverkauf vor der Unisex-Einführung im Dezember begonnen. “Ich erwarte aber keinen ganz großen Wachstumstreiber.” Es dürften eher die Berufsunfähigkeits- und Risikopolicen profitieren und nicht so sehr die klassischen Lebens- und Rentenpolicen.