1. November 2013
Im Handelsblatt erscheint der Artikel „Bestechend erfolgreich“. Er beschreibt detailliert die jahrelange Bestechung von Beamten durch Mitarbeiter der Debeka. Der Vorstandsvorsitzende Uwe Laue räumt ein, es habe Verfehlungen gegeben, die aber lägen lang zurück: „So wissen wir, dass in den 1980er und 1990er Jahren Vertriebsmitarbeiter auf eigene Rechnung Adressen potentieller Kunden erworben haben, die zwischen Mitarbeitern weiter verteilt wurden. Auch der damaligen Führungsmannschaft fehlte die Sensibilität für diese datenschutzrechtliche Thematik. Und in diese Selbstkritik schließe ich mich ausdrücklich mit ein.“ Laue war von 1994 bis 1998 Vertriebschef der Debeka.

2. November 2013
Edgar Wagner, der Landesdatenschutzbeauftragte Rheinland Pfalz, schaltet sich ein. „Möglicherweise haben wir es mit einem doppelten Skandal zu tun“, sagt Wagner. „Zum einen, dass sich öffentlich Bedienstete über Jahrzehnte hinweg für den Bruch des Personalgeheimnisses haben bezahlen lassen; zum anderen, dass Debeka-Mitarbeiter auf unterschiedlichen Ebenen Kontaktdaten erworben, weiterverkauft und zur Vertragsanbahnung eingesetzt haben. Das eine wie das andere wären Straftaten, deren Verfolgung Aufgabe der zuständigen Staatsanwaltschaft ist. Soweit dabei Datenschutzverletzungen vorliegen, werden wir diese selbst aufklären und gegebenenfalls sanktionieren.“

4. November 2013
Die Staatsanwaltschaft Koblenz nimmt auf Veranlassung des Landesdatenschutzbeauftragten Rheinland Pfalz Vorermittlungen in Sachen Debeka auf (Artikel zum Download).

4. November 2013
Debeka meldet sich bei der Aufsichtsbehörde Bafin und bittet um eine externe Überprüfung ihrer Geschäftsprozesse. Außerdem beauftragt Debeka die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG zur Unterstützung einer internen Prüfung. Die Arbeiten beginnen noch am selben Tag.

5. November 2013
Das Handelsblatt zeigt, dass Debeka falsche Angaben über die Ausmaße der Bestechung von Beamten gemacht hat (Artikel zum Download). Vorstandschef Uwe Laue sprach von Fehler aus den 1980er und 1990 Jahren. Das Handelsblatt zitiert ein Urteil des Amtsgerichts Tübingen vom 27. Juli 2010. Danach bestach ein Organisationsleiter einer Debeka-Geschäftsstelle jahrelang einen Mitarbeiter des Tübinger Regierungspräsidiums. Der Beamte erhielt Geld, der Debeka-Mitarbeiter Daten von verbeamteten Lehramtsanwärtern. Der Beamte wurde aus dem Staatsdienst entfernt, Debeka aber behielt den Mitarbeiter. Wie das trotz der vermeintlich strengen Verhaltensregeln sein kann, erklärt Debeka auch auf Nachfrage nicht.

7. November 2013
Die Debeka-Affäre wird offiziell zum Fall für die Finanzaufsicht. Die Bafin habe den Sachverhalt aufgegriffen und prüfe ihn, bestätigt der Exekutivdirektor Versicherungsaufsicht, Felix Hufeld. Man werde „bewerten, ob und inwieweit aufsichtliche Maßnahmen gemäß Versicherungsaufsichtsrecht angezeigt sind.“

11. November 2013
Die Staatsanwaltschaft Koblenz leitet ein förmliches Ermittlungsverfahren ein. Der Verdacht lautet auf Bestechung, Bestechlichkeit und der Verletzung von Dienstgeheimnissen. „Die Ermittlungen richten sich sowohl gegen Mitarbeiter der Debeka Versicherung als auch gegen Mitarbeiter von Personalverwaltungen in staatlichen Behörden“, teilt die Behörde mit. „Es besteht der Verdacht, dass Mitarbeiter der öffentlichen Verwaltung, insbesondere der Personalverwaltungen Versicherungsvertretern der Debeka-Gruppe gegen Entgelt die Anschrift und weitere persönliche Daten der zur Einstellung in den öffentlichen Dienst vorgesehenen Bewerber mitgeteilt haben. Diese Daten sollen von den Versicherungsvertretern dazu benutzt worden sein, den zur Einstellung in den öffentlichen Dienst vorgesehenen Bewerbern den Abschluss einer Krankenversicherung und sonstigen Versicherungen anzutragen.“

11. November 2013
Alexander Erdland, der Präsident des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft, wundert sich, dass bei Debeka Mitarbeiter selbst nach einer Verurteilung wegen Bestechung von Beamten weiterarbeiten dürfen. „Beamtenbestechung ist ein Straftatbestand und aufs Schärfste zu verurteilen“, sagt Erdland. „Ich finde es richtig, wenn bei Fehlverhalten auch Konsequenzen gezogen werden. Und dazu zähle ich auch arbeitsrechtliche oder personalpolitische Konsequenzen.

13. November 2013
Der Skandal weitet sich aus. Das Handelsblatt berichtet unter der Überschrift „Diener zweier Herren“ (Artikel zum Download), dass Debeka bundesweit ein Netz von mehr als zehntausend Beamten unterhält, die gegen Bezahlung bei der Vermittlung von Krankenversicherungen, Lebensversicherungen und anderen Debeka-Produkten helfen. Diese Beamte würden intern „Vertrauensmitarbeiter“ (VM) genannt und Namen und Kontaktdaten vor allem solcher Kollegen vermitteln, die gerade ihren Dienst angetreten haben. Ein bloßer Tipp, dass es an der Schule einen noch nicht versicherten neuen Referendar gibt, bringe dem Vertrauensmitarbeiter 50 Euro. Die Vermittlung einer Krankenversicherung werde mit mindestens 150 Euro honoriert. Und entschließe sich der junge Kollege, bei Debeka eine Lebensversicherung zu unterzeichnen, könnten 600 Euro und mehr für den Vertrauensmitarbeiter herausspringen. Insgesamt flössen Jahr für Jahr Millionen von Euro von der Debeka an Beamte. Für die eifrigsten habe Debeka einen „Club der Top-VM“ eingerichtet. Diese erhielten „Geldpräsente“ und würde von Vorstand jährlich zu Reisen eingeladen.

13. November 2013
Der Grünen-Finanzexperte Gerhard Schick fordert von Debeka personelle Konsequenzen. „Der gesamte Debeka-Vorstand muss abgelöst werden, wenn die Vorwürfe stimmten“, sagt Schick. „Die Dimension von über 100 Millionen Euro Bestechungsgeldern an über zehntausend Beamte, die über viele Jahre regelmäßig Zahlungen erhielten, zeigt, dass es sich hier nicht um die Tat einzelner krimineller Mitarbeiter handelt, sondern dass das gesamte Unternehmen systematisch involviert war.“ Noch unglaublicher aber sei der interne Sprachgebrauch, der Glaube, über dem Gesetz zu stehen. „Welche bodenlose Frechheit, die korrupten Beamten auch noch mit VM, also Vertrauensmitarbeiter zu titulieren.“ Außerdem, so Schick weiter, sei der Debeka-Vorstandschef Uwe Laue als Mitglied des Verbraucherbeirats der BaFin nicht mehr tragbar.

14. November 2013
Der Landesdatenschutz Rheinland-Pfalz weitet seine Ermittlungen aus. Nun steht auch das Geschäftsmodell der Versicherung im Fokus. „Da der Bruch des Personalgeheimnisses im Zusammenwirken mit Mitarbeitern der öffentlichen Verwaltung geschehen ist, habe ich auch das System der Debeka-Vertrauensmitarbeiter in meine Prüfungen einbezogen“, sagt der Datenschutzbeauftragte Edgar Wagner. „Hier besteht noch erheblicher Klärungsbedarf.“

14. November 2013
Der deutsche Beamtenbund meldet sich zu Wort. „Für Korruption darf es gerade im öffentlichen Dienst kein Pardon geben“, sagt der Vorsitzende Klaus Dauderstädt. Beamte, die Adressen von jungen Kollegen an die Debeka verkauft hätten, müssten sanktioniert werden. Das Handelsblatt zitiert aus internen Unterlagen der Debeka. Danach bezahlt die Versicherung Beamte sogar für die Anwerbung von Mitarbeitern: „Vertrauensmitarbeiter erhalten für die Gewinnung neuer hauptberuflicher Mitarbeiter im Außendienst für das Jahr 2013 eine Vermittlungsprämie in Höhe von 300 Euro.“

15. November 2013
Transparency International protestiert in Sachen Debeka. „Es kann nicht sein, dass Daten von Kollegen ohne deren Wissen an Dritte weitergegeben werden. Jetzt ist Aufklärung verlangt, und zwar nicht nur von der Debeka“, sagt Geschäftsführer Christian Humborg. „Die 17 Innenminister müssen der Öffentlichkeit erklären, in welchem Umfang fragwürdige Nebentätigkeiten in den einzelnen Behörden geduldet wurden.”

15. November 2013
Der Vorsitzende der Landes-FDP, Volker Wissing, bezichtigt die rot-grüne Landesregierung in Rheinland-Pfalz indirekt der Mitwisserschaft über die dubiosen Vorgänge bei der Debeka. „Es ist schwer vorstellbar, dass die Versicherung ein solches System aufbauen konnte, ohne dass die Hausleitung der Ministerien davon Kenntnis hatte“, sagt Wissing. „Die rot-grüne Landesregierung muss schnell und umfassend aufklären.“

15. November 2013
Die Debeka-Affäre erreicht die Bundespolitik. Die SPD will die Geschäftspraktiken der Versicherung zu einem Thema bei den Koalitionsverhandlungen mit der Union machen. „Sollten sich die Berichte über ein bis heute bestehendes System von Zuträgern und Vertrauensleuten bestätigen, hieße das, dass der Vorstandschef der Debeka Uwe Laue falsche Angaben gemacht hat, als er von Fehlern in der Vergangenheit sprach“, sagt der Verhandlungsführer der Arbeitsgruppe Gesundheit der SPD Karl Lauterbach. „Der Skandal dauert offensichtlich an. Das muss auch politische Konsequenzen haben.“

18. November 2013
Der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Michael Hartmann, fordert von der Bundesregierung Auskunft darüber, wie sie kontrolliert und gegebenenfalls verhindert, dass Gewerbetreibende oder Beschäftigte im Wege einer Nebentätigkeit in Dienstgebäuden des Bundes Versicherungen vermitteln. Hartmann: „Ich will wissen, was der Bund als Dienstherr über die Aktivitäten der Debeka wusste und was er getan hat, um sie zu unterbinden.“

22. November 2013
Die Nebentätigkeit für die Debeka-Versicherung könnte für Tausende Beamte strafrechtliche Konsequenzen haben. In einem Rundschreiben warnt das rheinland-pfälzische Innenministerium die rund 74.000 Beamten des Bundeslandes vor der bisherigen Praxis, Personaldaten ohne Genehmigung weiterzugeben: „Verstöße gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen können als Ordnungswidrigkeit verfolgt werden. Wird der Verstoß mit Bereicherungsabsicht oder zur Gewinnerzielung begangen, kann eine Straftat vorliegen.“

22. November 2013
Der Landesdatenschutz Rheinland-Pfalz dehnt seine Ermittlungen auf Konkurrenten der Debeka aus. „Bei uns sind aus der Bevölkerung Hunderte Hinweise zu ähnlichen Vorgängen eingegangen, wovon eine Reihe auch andere Versicherer betreffen“, teilt die Behörde mit. Die Hinweise seien teilweise sehr detailliert, so dass davon auszugehen sei, dass im kommenden Jahr aufsichtsrechtliche Ermittlungsverfahren gegen weitere Versicherer starten werden.

26. November 2013
Das Handelsblatt berichtet unter der Überschrift „Beamte auf Abwegen“, dass nicht nur die Debeka, sondern auch diverse andere Versicherungen Staatsbedienstete für die Vermittlung von Versicherungen einsetzen. Ein Richter vermittelte Bausparverträge in Bayern, ein Kompaniefeldwebel Lebensversicherungen in Baden-Württemberg, ein Oberkommissar in Hessen kassierte für diverse Nebentätigkeiten innerhalb von sieben Jahren mehr als 500.000 Euro von gleich vier verschiedenen Versicherern. Die Zahl der auf diese Weise aktiven Beamten geht in die Zehntausende.

27. November 2013
Das Bundesinnenministerium nimmt die Berichterstattung des Handelsblatts zum Anlass, seine Beamten zu warnen. In einem Rundschreiben an die obersten Bundesbehörden betont das Ministerium, „die Nutzung dienstlich erworbener personenbezogener Informationen für die Vermittlertätigkeit ist explizit ausgeschlossen.“