Intervista a  Markus Rieß e Severin Moser di Allianz

Handelsblatt: Die Allianz ist unumstrittener Marktführer in Deutschland. Doch in der Sachversicherung, der Königsdisziplin, verlieren Sie seit Jahren Marktanteile. Im dritten Quartal machten Sie aufgrund von hohen Aufwendungen für Naturkatastrophen sogar Verluste im operativen Geschäft. Ist die Organisation fett und träge geworden?

Markus Rieß: Das ist mir zu eindimensional. Der Markt verändert sich sehr nachhaltig. Zum Beispiel durch das Internet.

Aber Sie müssen handeln.

Rieß: Richtig ist: Wir haben eine äußerst erfolgreiche Lebensversicherung und eine wirklich gute Krankenversicherung. Auch in der Sachversicherung sind wir mit sehr großem Abstand Marktführer. Doch wir verlieren Marktanteile und sind in der Profitabilität nicht da, wo wir einmal waren, und auch nicht da, wo wir hinwollen. Daher haben wir uns entschlossen, ein Programm zu starten, das uns langfristig auf einen profitablen Wachstumspfad zurückführt. Dieses Programm beraten wir in den nächsten Wochen mit den Arbeitnehmer-Gremien.

Wie heißt das Programm?

Rieß: Es heißt, nicht sehr spektakulär, „Zukunftsprogramm Sachversicherung“.

Was sind die konkreten Ziele?

Rieß: Wir wollen den Umsatz in der Sachversicherung bis 2014 von zuletzt 8,95 auf 9,5 Milliarden Euro steigern.

Und bei der Profitabilität?

Rieß: Unsere Schadenkostenquote – also das Verhältnis von Schaden und Kosten zu den Prämieneinnahmen – soll auf 95 Prozent sinken. 2010 lag sie aufgrund hoher Belastungen aus Naturkatastrophen leicht über 100 Prozent.

Wie stark sinken die Kosten?

Severin Moser: Die Kostenquote wollen wir von knapp 28 auf 26 Prozent drücken. Da wir ja auch wachsen wollen, lässt sich das Einsparvolumen nicht genau beziffern. Aber ein Prozentpunkt bei der Kostenquote entspricht etwa 70 bis 90 Millionen Euro.

Ändern sich die Produkte?

Moser: Wir investieren in die Produktentwicklung bis 2014 rund 76 Millionen Euro. Wir wollen in den nächsten Jahren einen modularen Baukasten entwickeln, der dann alle Bedürfnisse für den Kunden maßgeschneidert abdeckt: von der privaten Haftpflicht- über die Hausrat-, Gebäude-, Rechtsschutz-, Unfall- bis zur Risikoversicherung. Wir haben dann einen Baukasten, aus dem der Vertreter die einzelnen Bausteine für den Kunden raussucht. Wir wollen den Umsatz pro Kunde steigern.

Ihre Vertreter klagen, dass wegen Preiserhöhungen die Autoversicherung nicht mehr als Türöffner funktioniert. Ist das neue Konzept ein Ausgleich für die Vertreter?

Moser: Wir stehen im ständigen Austausch mit unseren Vertretern. Klar ist, dass jede Tarifanpassung zu Diskussionen führt.

Haben Sie den Preiskampf in der Kfz-Versicherung verloren?

Moser: Die Situation ist für alle Anbieter schwierig, die Branche schreibt Verluste. Durch die neuen Module bekommen die Vertreter aber einen neuen Türöffner für den Verkauf weiterer Produkte.

Sie haben in der Autoversicherung die Marktführerschaft an die Huk verloren. Wollen Sie bei der Zahl der abgeschlossenen Verträge wieder Marktführer werden?

Rieß: Höhere Stückzahlen sind kein Selbstzweck. Aber wir wollen wachsen, auch nach Stückzahlen. Entscheidend ist, dass wir profitabel wachsen.

Ihre Produkte sind vergleichsweise teuer, die Kunden erwarten dafür Service. Wie soll das besser werden?

Moser: Wir wollen den Schaden-Meldeprozess künftig vereinfachen und dabei verstärkt den Telefonkanal nutzen. Es wird nur eine zentrale Rufnummer geben, bei der der Kunde oder Vertreter alle möglichen Schäden von Auto bis Hausrat melden kann. Bei der Schadensmeldung haben wir bereits personelle Kapazität aufgebaut, hier wollen wir schneller werden.

Wenn Sie nun sparen wollen, wo werden konkret Stellen gestrichen?

Moser: Wir wollen im Januar 2012 mit der Optimierung der Stäbe beginnen – jede einzelne Stabsstelle in der Sachversicherung kommt auf den Prüfstand. Wir gehen davon aus, dass wir in den nächsten drei Jahren die Zahl der Stabsstellen von derzeit 2200 um 400 Arbeitsplätze reduzieren müssen.

Das ist fast jeder fünfte Arbeitsplatz, der hier überflüssig ist. Siemens-Chef Peter Löscher sprach einmal von einer Lehmschicht.

Rieß: Pauschale Kürzungen helfen uns nicht weiter. Wir werden daher bis Mitte nächsten Jahres sehr genau prüfen, wo wir Aufgabenumfänge reduzieren und etwaige Doppelungen vermeiden können. Unser Ziel ist eine Verschlankung, ohne dass die Qualität sinkt und ohne dass es der Kunde merkt. Dazu müssen auch Abläufe vereinfacht werden.

Wo fallen noch Arbeitsplätze weg?

Rieß: Wir wollen im Betrieb klar abgegrenzte Dienstleistungen ausgliedern, dabei geht es vor allem um das zentrale Posteingangszentrum in Berlin. Das betrifft 340 Stellen. Zudem soll die Klassifizierung der Krankenversicherungskorrespondenz künftig ebenfalls dort erfolgen. Dafür werden in Berlin 100 Stellen geschaffen. Auch im Internetgeschäft wollen wir einfache Tätigkeiten der Vertragsadministration in Servicegesellschaften ausgliedern, was rund 150 Stellen bis 2014 betrifft.

Und wenn Sie es schaffen, als Deutschland-Chef die Sachversicherung zu drehen, haben Sie sich für höhere Weihen qualifiziert? Das Programm läuft ja bis 2014. Dann endet auch die Amtszeit von Allianz-Chef Michael Diekmann.

Rieß: Meine einzige Ambition ist es, mit der Allianz Deutschland auch weiterhin erfolgreich zu sein und die Sachversicherung auf einen profitablen Wachstumspfad zu führen.

Meine Herren, vielen Dank für das Interview.