Die Lustreise von Top-Vertretern der damaligen Ergo-Tochter Hamburg-Mannheimer nach Budapest soll nach dem Willen der Staatsanwaltschaft zwei ehemalige Manager vor Gericht bringen. Die Hamburger Behörde hat die 53 und 42 Jahre alten Männer wegen schwerer Untreue angeklagt, wie Sprecher Wilhelm Möllers der Nachrichtenagentur dpa am Donnerstag sagte. Auch gegen einen damaligen Mitgeschäftsführer einer Event-Agentur, der die umstrittene Reise plante, hat die Behörde Anklage erhoben – wegen Beihilfe zur Untreue.

Die Staatsanwaltschaft wirft den Angeklagten vor, mit der Beauftragung von Prostituierten und der Verschleierung der Kosten dafür gegen interne Richtlinien des Unternehmens verstoßen zu haben. Bei den Angeklagten handelt es sich nach Informationen des Handelsblattes um den ehemaligen Vertriebsvorstand Kai Lange, den ehemaligen Strukturvertriebsleiter Daniel D. sowie den Event-Manager Robert A. Dieser war zugleich auch freier Handelsvertreter für die Hamburg-Mannheimer.

Die juristischen Ermittlungen gehen auf eine Anzeige des Ergo-Konzerns aus 2011 zurück. Allein dies macht es der Staatsanwaltschaft nach Einschätzung von Juristen schwer, den Fall zum Erfolg zu führen. Denn innerhalb der Ergo-Gruppe war die Sex-Reise seit langem bekannt. Ludger Griese, der Nachfolger von Vertriebsvorstand Kai Lange, wusste laut einem Bericht der Ergo-Konzernrevision schon seit Ende 2007 von den Details der Budapester Veranstaltung. In einer Mitarbeiterzeitung wurde die so genannte „Party total“ in Budapest sogar überschwänglich als „Mordsspaß“ gefeiert.

Konzernchef Torsten Oletzky wusste nachweislich seit Mitte 2010 von der Reise, ergriff aber keinerlei disziplinarische Maßnahmen. Warum der Konzern nach jahrelangem Stillschweigen plötzlich eine Untreue ausmachte, und diese auch noch anzeigte, ist nach Ansicht von Beteiligten nicht  juristisch zu erklären. Die Angeklagten könnten sich jedenfalls berufen, durch die jahrelange Untätigkeit der Konzernführung eine zumindest stillschweigende Duldung angenommen zu haben.

Insider werten deshalb die Anzeige von Ergo gegen die drei Männer als öffentlichkeitswirksames Ablenkungsmanöver von den diversen anderen Affären in der Versicherung. So läuft derzeit ein Verfahren gegen elf ehemalige und aktive Ergo-Manager wegen des Verdachts auf Kundenbetrug im Zusammenhang mit Riester-Verträgen. Außerdem wurden zwischen 2009 und 2011 tausende von Kunden zu ihrem Nachteil von hochverzinsten in niedrigverzinste Versicherungsverträge gelockt. Obwohl in einem Prüfbericht für Aufsichtsbehörde Bafin von möglichen Betrugsdelikten und der Notwendigkeit einer Einzelfallprüfung die Rede ist, sind hier keine Anzeigen von Ergo bekannt. Dabei ist der mögliche Schaden für die Versicherten hier tausendfach höher als in der Sex-Affäre.

Die nun Angeklagten in Sachen Budapest  sehen sich deshalb als reine Sündenböcke. Sie bestreiten den Vorwurf, die Kosten für die Prostituierten verschleiert zu haben. Sowohl der Sinn als auch die Ausführung der Reise sei breit besprochen und bekannt gewesen. Es sei der Firma auch kein Nachteil entstanden, weil sich anschließend alle Akteure einig  gewesen seien, dass die Vertriebsmannschaft durch die Veranstaltung sehr motiviert worden war. Das Ziel sei also erreicht worden.

Ebenfalls schwer erklärlich für Ergo ist, dass zwei der drei Männer, die wesentlichen Anteil an dem Event hatte, noch immer für Ergo tätig sind. Die Generalrepräsentanten Ditmar P und Günter P. fuhren beide zu mehreren Vorbereitungsreisen nach Budapest und organisierten die Details. Einer von ihnen lud seine Vertriebsmannschaft außerdem zu einem mit Konzerngeldern bezahlten mehrtätigen Besuch in den Swingerclub Hedonism II auf Jamaika ein. Für Ergo war dies aber keine Strafanzeige wert. Eine Erklärung dafür: Reisen in diesen Club waren nach Kenntnis der Konzernrevision keine Seltenheit und fanden auch nach der Budapester Veranstaltung noch statt.