Lesen Sie noch oder löschen Sie schon? Oft verbringen Büroarbeiter mehrere Stunden damit, E-Mails zu lesen, zu beantworten oder gleich zu löschen. Einige Firmen wollen die elektronische Post daher abschaffen. Facebook könnte davon profitieren: Der Internetkonzern bietet eine geschlossene Version seines sozialen Netzwerks an, FB@Work genannt – offenbar mit Erfolg. Die Royal Bank of Scotland (RBS) hat angekündigt, sie zu nutzen.

Bis März will das Finanzhaus 30.000 Mitarbeiter über die Plattform vernetzen, bis Ende 2016 soll die gesamte 100.000-köpfige Belegschaft online sein. Ziel sei, die E-Mail-Nutzung zu dämpfen, sagte RBS-Manager Simon McNamara dem Technologieporta Techcrunch. Die Mitarbeiter sollen ihre Ideen lieber in Gruppen teilen, anstatt sie über lange Empfängerlisten zu verbreiten. Der Konzern hat sich bei einem Pilotversuch vom Nutzen überzeugen lassen. „Die Adoptionsrate lag bei phänomenalen 90 Prozent“, sagt McNamara. Facebook kennt nun mal jeder.

Es ist nicht der erste Erfolg für den Internetkonzern. Derzeit nutzen rund 300 Firmen die Geschäftsversion des sozialen Netzwerks, darunter der Bierbrauer Heineken. Dabei soll es nicht bleiben: „Wir bauen derzeit Vertriebs- und Marketingteams auf der ganzen Welt auf“, sagte der zuständige Facebook-Manager Julien Codorniou. 

Die Facebook-Kunden hoffen darauf, die interne Kommunikation zu verbessern. Schon lange hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass vollgestopfte E-Mail-Postfächer von der Arbeit abhalten. Werkzeuge, die man von Facebook, Twitter und Wikipediakennt, sollen die Kommunikation und Kooperation verbessern – beispielsweise durch Chaträume oder Firmen-Wikis. Berater sprechen von Enterprise 2.0.Anders als die Verbraucherversion des sozialen Netzwerks soll Facebook@Work zumindest teilweise kostenpflichtig sein. Geplant sei ein „Freemium“-Modell, erklärte Codorniou – Firmen können also eine Basisversion gebührenfrei nutzen, müssen aber für bestimmte Premiumfunktionen zahlen. Wenn das Konzept aufgeht, erschließt der Konzern damit neben der Werbung eine weitere Umsatzquelle.

Zahlreiche Unternehmen bieten inzwischen Alternativen zur E-Mail an. Hoch gehandelt wird im Silicon Valley etwa das Start-up Slack, das die Kommunikation zum größten Teil über Chats abwickelt und die gemeinsame Bearbeitung von Dokumenten erleichtert – auf fast drei Milliarden Dollar taxieren die Investoren den Wert der Firma. Auch die großen IT-Konzerne mischen mit: So bieten IBM und Microsoftinterne soziale Netzwerke an, LinkedIn arbeitet ebenfalls an einer geschlossenen Version. Der Markt ist attraktiv: Wer würde nicht gerne von der E-Mail loskommen?