Hagel und Hochwasser richten in Deutschland Rekordschäden an, doch der weltgrößte Rückversicherer Munich Re muss sich im Katastrophengeschäft einem Preiskampf stellen. Bei seinen Verhandlungen mit Erstversicherern wie Allianz und Axa erwartet der Konzern zum Jahreswechsel zwar weithin stabile Konditionen in der Schaden- und Unfall-Rückversicherung. Bei der Absicherung gegen Naturkatastrophen wächst jedoch die Konkurrenz. Zudem trifft manche Katastrophe die Branche weit schwerer als anfangs gedacht: Die Hagelstürme im Juli dürften die teuersten sein, die es in Deutschland je gegeben hat.

Die versicherten Hagelschäden dürften 1,5 Milliarden Euro erreichen, sagte Munich-Re-Vorstandsmitglied Torsten Jeworrek am Sonntag bei einem Branchentreffen in Monte Carlo. Das wäre mehr, als das bisher schwerste Hagelunwetter in Bayern von 1984 in heutigen Preisen gekostet hätte. Noch Anfang August hatte Jeworrek die versicherten Schäden auf gut 600 Millionen Euro geschätzt. Der Rückversicherungsmakler Aon Benfield war schon wenig später von 1 bis 1,5 Milliarden Euro ausgegangen.

Die Unwetter waren Ende Juli über Teile Nord- und Süddeutschlands gezogen, golfballgroße Hagelkörner beschädigten Autos und Hausdächer. Laut Jeworrek muss die Munich Re von diesen Schäden rund 180 Millionen Euro schultern, davon 20 Millionen aus dem Geschäft der Düsseldorfer Tochter Ergo. Damit hätte die Hochwasserkatastrophe im Juni die Munich Re nur ein Viertel mehr gekostet als nun der Hagel.

Im Geschäft mit Erstversicherern und Großkunden zeigt die Munich Re trotz der Kapitalschwemme in der Branche keine Angst vor einem Preiskampf. Zumindest im proportionalen Geschäft der Schaden- und Unfall-Rückversicherung, in dem Rückversicherer prozentual Prämien und Risiken von Erstversicherern übernehmen, erwartet Jeworrek weitgehend stabile Preise. Im nicht-proportionalen Geschäft mit Naturkatastrophen, bei dem der Rückversicherer erst ab einer bestimmten Schadenhöhe einspringt, spürt die Munich Re hingegen heftige Konkurrenz von branchenfremden Investoren.

Große Anleger wie Pensionsfonds investieren Experten zufolge zunehmend große Summen in verbriefte Versicherungsrisiken (ILS), meist sogenannte Katastrophenanleihen. Damit werden Katastrophenrisiken an den Kapitalmarkt transferiert. Der Munich Re zufolge haben Großinvestoren in den vergangenen anderthalb Jahren rund zehn Milliarden US-Dollar zusätzlich in Katastrophenanleihen und andere gesteckt.

In Zukunft könnten es sogar noch mehr sein. Bis zu 75 Milliarden Dollar könnten die „alternativen Investoren“ auf der Suche nach höheren Renditen bis 2016 in den Markt für Naturkatastrophen-Deckungen gepumpt haben, sagte Jeworrek. Das wäre ein Viertel des 300 Milliarden Dollar schweren Marktes; 2012 waren es erst 17 Prozent. Sie wüchsen damit deutlich schneller als die angestammten Rückversicherer.

Die Munich Re sieht sich von der Konkurrenz aber nur mäßig betroffen. Nur zehn Prozent des Katastrophengeschäfts konkurriere mit den alternativen Formen der Risikoabsicherung. Außerdem hofft Jeworrek, dass das niedrige Zinsniveau die Konkurrenz diszipliniert. Zu niedrige Prämien kann die Branche kaum noch durch höhere Kapitalerträge ausgleichen.

Pessimistischer als die Munich Re ist die Ratingagentur Standard & Poor’s. Deren Experten rechnen bei der Vertragserneuerung zum Jahreswechsel auch insgesamt mit schlechteren Konditionen für die Rückversicherer. Ihnen zufolge dürften in diesem Jahr verbriefte Versicherungsrisiken im Volumen von sieben Milliarden Dollar kommen – so viele wie seit 2007 nicht mehr.

Auch der Rückversicherungsmakler Willis Re erwartet, dass der Druck auf die Branche durch die neue Konkurrenz zunimmt. Die Fonds konzentrieren sich bisher vor allem auf Naturkatastrophen-Deckungen in den USA, weil die Renditen dort am höchsten sind. Doch ob das so bleibt, ist fraglich. Die Neulinge könnten binnen weniger Jahre bis zu 100 Milliarden Dollar in den Markt pumpen und kämen damit auf 30 Prozent Marktanteil, schätzt der Makler. „Das hätte grundlegende Folgen“, mahnte Willis-Re-Chef John Cavanagh. Denn traditionelle Rückversicherer blieben in diesem Verdrängungswettbewerb auf ihrem Geld sitzen – bis zu 40 Milliarden.

„Dieses Eigenkapital muss anderswohin gehen“, sagt Cavanagh. Bis zu 20 Milliarden Dollar könnten die Aktionäre zurückfordern – als Dividende oder über Aktienrückkäufe. Auch die Münchener Rückdenkt darüber nach. Eine Entscheidung über den Rückkauf eigener Aktien soll im Herbst fallen..