Deutsche Großkonzerne drohen damit, Risiken nicht mehr bei den Industrieversicherern abzudecken, sondern selbst zu tragen. Das kündigte Klaus Greimel an, Versicherungschef des Energiegiganten Eon und Vorsitzender des Deutschen Versicherungsschutzverbandes (DVS). “Die Risikolandschaft verändert sich ständig und nimmt immer neue Dimensionen an”, sagte er bei der DVS-Fachkonferenz in München. Damit steige auch die Anzahl der Risiken, die aus Sicht der Assekuranz nicht versicherbar seien. “Das stellt das ganze Modell des Risikotransfers infrage.” Wenn ein Industriekonzern ohnehin zahlreiche Risiken mit der eigenen Bilanz tragen müsse, könne er grundlegend in Frage stellen, wie sinnvoll viele Versicherungen sind.
 
Der Versicherungsschutz für manche Gefahren erinnere ihn immer mehr an einen löchrigen Schweizer Käse. “Den würde der Kunde auch nicht mehr kaufen, wenn es mehr Löcher als Käse gibt.”
 
Greimel spielt auf Diskussionen zwischen Industrie und Assekuranz an, ob und wie neu auftauchende Gefahren wie Lieferkettenunterbrechungen ohne vorherigen Sachschaden oder Cyber-Risiken versichert werden können. Nach dem Ausbruch des isländischen Vulkans Eyjafjllajökull im Jahr 2010 konnten Flugzeuge tagelang nicht starten. Firmen warteten auf wichtige Teile ihrer Zulieferer und konnten in vielen Fällen nur mit Verspätungen weiter produzieren. In klassischen Betriebunterbrechungspolicen sind diese Verzögerungen nicht gedeckt, weil der Unterbrechung kein Sachschaden vorausgegangen ist.
 
Seitdem hat es zahlreiche Diskussionen um die Versicherbarkeit neuer Risiken zwischen den Marktteilnehmern gegeben. Einige Versicherer haben spezielle Policen für Betriebsunterbrechungen ohne vorherigen Sachschaden entwickelt, die aus Sicht der Industrie jedoch noch zu teuer oder mit zu wenig Kapazität versehen sind.
Greimel appelliert jedoch auch an seine eigene Branche. “Wir müssen für die Versicherer transparenter werden, wenn wir besseren Schutz haben wollen”, forderte er. “Je detaillierter unsere Informationen sind, desto realistischer können die Versicherer Kumulrisiken bewerten, und desto innovativer können sie bei der Entwicklung neuer Policen sein.”
 
Christian Hinsch, Chef der HDI-Gerling Industrieversicherung, zeigt Verständnis für den Bedarf der Industrie, betont aber, dass es umfassenden Schutz nicht pauschal, sondern nur als individuelle Deckung geben könne. “Wir brauchen mehr Transparenz von Seiten der Industrie”, sagte er. HDI-Gerling biete zudem schon 21 Industriekunden eine individuell kalkulierte Deckung für Betriebsunterbrechung ohne vorherigen Sachschaden an.