Sehnsüchtig warten derzeit nicht nur die Farmer in der Kornkammer Nordamerikas auf ein Ende der Trockenheit. Aber auch die Versicherungskonzerne beobachten die Wettervorhersagen gebannt. Die Agroversicherungs-Sparte der Munich Re musste wegen der ungewöhnlich langen Dürre-Periode für Ernteausfälle in den USA bereits 160 Millionen Euro zurücklegen. Das ist der bislang mit Abstand größte Schaden in dem Geschäft. Und doch setzt der Versicherer große Hoffnungen auf die Nische: “Das Potenzial ist noch riesig”, sagte Karl Murr, Leiter der Agro-Sparte, dem Handelsblatt.

Denn das Marktpotenzial ist groß. “Wir glauben, dass die Agrarversicherung eine deutliche Steigerung erleben wird”, sagt auch Joachim Crönlein, Chef der Allianz-Tochter Münchener und Magdeburger Agrarversicherung. Das Segment, das lange ein Nischendasein fristete, gewinne an Bedeutung. Crönlein verweist vor allem auf die zuletzt zum Teil rasant gestiegenen Nahrungsmittelpreise. Mit den Versicherungswerten steigen die Prämien – und damit der Markt.

Hinzu kommt als Treiber der Klimawandel. Nach Einschätzung der Experten von der Munich Re werden sich Wetterextreme in der Zukunft häufen. Damit ist auch verstärkt die Ernte der Landwirte in Gefahr. Ob nun die ungewöhnlich lange Dürre in den USA schon Folge des Klimawandels ist oder nur ein Wetterphänomen, ist offen. In jedem Fall wird das Bewusstsein für die Ernteausfallgefahr geschärft.

Nach Schätzungen in der Branche sind bislang nur etwa 20 bis 25 Prozent der Agrarproduktion weltweit gegen Naturkatastrophen versichert. Als vorbildlich gilt das Ernteversicherungssystem in den USA, das staatlich gestützt ist. Hier sind 105 Millionen Hektar versichert, gut 80 Prozent der genutzten Gesamtfläche. Die Netto-Beitragszahlungen lagen in der Erstversicherung bei knapp zwölf Milliarden Dollar, davon etwa 60 Prozent staatlich subventioniert.

Die Munich Re als Rückversicherer im Hintergrund erzielt denn auch 70 Prozent ihrer Prämien in der Agrarversicherung in den USA. Weltweit kommen die Münchener auf Einnahmen von etwa einer Milliarde Dollar und in der Rückversicherung auf einen Marktanteil von 25 Prozent.

Nach Einschätzung der Munich Re sind staatlich gestützte Systeme wie in den USA sinnvoll. “Das können wir als Versicherungswirtschaft nicht allein stemmen”, sagte Murr. Wenn der Staat einen Teil des Risikos und der Prämien trage, blieben die Prämien bezahlbar für die Landwirte. Zudem werde so allen Bauern eines Landes der Zugang zum Versicherungsschutz ermöglicht – der ansonsten in besonders gefährdeten Regionen unbezahlbar wäre.

Die Ernteausfälle in den USA könnten nun die Entwicklung in anderen Ländern beschleunigen. “Die Dürre zeigt ja gerade, dass man ein solches Versicherungssystem benötigt”, sagte Murr. Im Blick hat der weltgrößte Rückversicherer die großen Agrarstaaten in Südamerika und Länder wie Russland und die Ukraine.

Von der Dürre in den USA sind auch die Experten bei der Munich Re überrascht worden. Zwar sahen die Modelle die Möglichkeit vor. Der Zeitpunkt und die Länge der Trockenheit aber kamen unerwartet. Ein Trost: Nach Einschätzung von Munich-Re-Vorstand Torsten Jeworrek handelt es sich um ein Ereignis, wie es statistisch nur etwa alle 50 Jahre vorkommt. “Immer mehr Menschen müssen ernährt werden”, sagt Murr – auch deswegen wächst der Agro-Versicherungsmarkt nachhaltig.

In Deutschland sind in Süddeutschland, wo es öfter hagelt, etwa 80 Prozent der Flächen zumindest teilweise versichert, in Norddeutschland dürften es etwa 60 Prozent sein. Solche Ernteausfallversicherungen gegen Hagel sind Standard – die Münchener und Magdeburger bieten zudem eine Mehrgefahrenversicherung an, die zum Beispiel auch bei Sturm und Frost einspringt, und gegen Aufschlag auch bei Dürre.

Die Munich Re könnte sich auch gut staatlich gestützte Systeme in Europa vorstellen, bei denen die Staaten einen Teil der Prämie zahlen. Gespräche mit Brüssel gibt es – allerdings ist das Thema hochpolitisch. Schließlich müsste die Bezuschussung mit anderen Agrarsubventionen verrechnet werden. Beim Erstversicherer Münchener und Magdeburger heißt es, die Mehrgefahrenversicherung laufe schon seit mehr als zehn Jahren ohne staatliche Beteiligung. Chef Crönlein kann sich eine staatliche Beteiligung am ehesten beim Thema Dürre vorstellen – schließlich entsteht der Schaden hier schleichend, und die Höhe ist schwer festzulegen. Bis jetzt ist Dürre in Deutschland nicht das dominierende Thema. Doch Experten der Munich Re beobachten die aktuelle Hitzeperiode genau.