Die Versicherungsbranche ist keine Branche, in der man gerne viel redet, erst recht nicht über seine Kunden. Besonders verschwiegen sind die Konzerne, wenn es um Managerhaftpflichtversicherungen geht. Selten sickert durch, welcher Versicherer welchen Unternehmensführer für den Fall von groben Managementfehlern absichert. Doch klar ist: Die Führung der Deutschen Bank ist gegen Schadensfälle abgesichert. Das könnte jetzt im Libor-Skandal wichtig werden.

Gegen die Deutsche Bank und über ein Dutzend weiterer Institute wird ermittelt, weil sie den globalen Referenzzins Libor manipuliert haben sollen. Auf die Institute drohen hohe Strafzahlungen und Schadensersatzansprüche von Geschäftspartnern zuzukommen. Die britische Bank Barclays, die federführend das Kartell mit aufgebaut hat, wurde bereits zu einer Strafe von fast einer halben Milliarde Dollar verdonnert.

Mit sogenannten D&O-Versicherungen (Directors & Officers) können sich Unternehmen für solche Fälle absichern. Welcher Versicherer die Führung der Deutschen Bank abgesichert hat, ist unklar. Die Barclays-Führung soll über ein Konsortium versichert sein, das von dem Bermuda-Versicherer XL angeführt wird, schreibt das britische Branchenblatt “Insurance Insider”.

Auch die Allianz ist mit einem kleinen Anteil an diesem Konsortium beteiligt, erfuhr das Handelsblatt aus Finanzkreisen. Die beiden Versicherer wollten dazu keine Stellungnahme abgeben. “Wir kommentieren grundsätzlich keine speziellen Fälle, egal, ob es sich dabei um unsere Kunden handelt oder nicht”, heißt es bei XL.

Der Skandal um manipulierte Zinssätze könnte für die Assekuranzen richtig teuer werden. “Die Versicherer werden dafür zahlen müssen, da führt fast kein Weg dran vorbei”, sagt der Düsseldorfer Makler Michael Hendricks, der auf Managerhaftpflichtversicherungen spezialisiert ist. Die Schadensansprüche an die Versicherer könnten im dreistelligen Millionenbereich liegen.

Häufig gibt es zwischen den Versicherern und den Kunden aber lange Streit, ob eine Police greift oder nicht. Die Fälle landen dann vor Gericht. In der Regel ist es so, dass bei einer vorsätzlichen Tat der Versicherer nicht zahlen muss. Liegt jedoch nur Fahrlässigkeit vor, muss er zahlen. Experten glauben, dass im Falle Barclays der Versicherer zahlen muss.

Zwar haben die Barclays-Händler, die die Zinsen manipuliert haben, vorsätzlich gehandelt, doch solange Ex-Barclays-Chef Bob Diamond davon nichts wusste, hat die Unternehmensleitung fahrlässig gehandelt.

Und selbst wenn Diamond etwas wusste, könnte Barclays Geld vom Versicherer erhalten. Denn auch der Aufsichtsrat ist grundsätzlich über D&O-Versicherungen abgesichert, und sofern er nicht an den Verfehlungen beteiligt war, kann zumindest er eine Schadenszahlung verlangen.

Für die Versicherer sind die D&O-Versicherungen daher kein einfaches Geschäft. Auf rund jede zehnte Police kommt eine Schadensmeldung. Kaum ein anderer Versicherungsbereich sorgt für so viel Ärger. Der Versichererverband GDV erhebt keine Statistiken zum undurchsichtigen D&O-Markt, aber Experten schätzen das jährliche Beitragsvolumen in Deutschland auf 600 bis 650 Millionen Euro.

“Da brauchen Sie nur ein, zwei Bankenskandale, dann ist das ganze Geld weg”, sagt Hendricks. “Eigentlich müssten die Versicherer dreimal so hohe Prämien verlangen.” Laut dem Makler sind die Preise in den letzten Jahren aber drastisch gefallen, sie lägen nur noch bei einem Drittel von dem, was vor zehn Jahren gezahlt wurde. Die Versicherer kämpfen hart um Marktanteile, gerade wenn es um Versicherungen für Mittelständler geht.

Bei D&O-Versicherungen für die Finanzbranche sieht es hingegen inzwischen anders aus. Lange Zeit fielen auch hier die Preise, aber im vergangenen Jahr sind sie um rund 20 Prozent gestiegen, schätzt Makler Hendricks. Er rechnet mit weiteren kräftigen Preissteigerungen. Seit Ausbruch der Finanzkrise sind die Versicherer in diesem Bereich auch deutlich vorsichtiger geworden. Manche Anbieter geben weniger Deckungen. Der Versicherungsriese Axa hat sich sogar komplett aus dem Geschäft mit Finanzdienstleistern zurückgezogen.

Dass es für die Versicherer unangenehm werden kann, zeigt derzeit auch der Fall BayernLB. Die Landesbank hat ihre ehemaligen Vorstände rund um den Ex-Chef Werner Schmidt verklagt. Der Vorwurf: Schmidt und die sieben weiteren Ex-Vorstände hätten 2007 die österreichische Bank Hypo Group Alpe Adria (HGAA) auf keinen Fall für rund 1,6 Milliarden Euro kaufen dürfen, da deren Probleme schon damals bekannt waren.

Nun sollen die acht Manager nach dem Willen der Landesbank für das Missmanagement haften. 200 Millionen Euro Schadensersatz schwebt der Landesbank vor. Rund die Hälfte davon soll ein Versichererkonsortium aufbringen – wieder ist XL federführend dabei. Die XL-Anwälte wollen davon aber überhaupt nichts wissen, sie weisen die Vorwürfe der Bank zurück. Das Münchener Landgericht machte einen Vergleichsvorschlag in Höhe von 25 Millionen Euro. Doch die Bank lehnt das ab, der Betrag sei viel zu gering. Nun droht ein jahrelanger Prozess.

Der bislang teuerste Fall für die Versicherungsbranche stammt aus der Industrie: Der Siemens-Konzern erhielt 2009 im Zuge der Korruptionsaffäre rund 100 Millionen Euro von der Allianz und anderen Versicherern als Ausgleich für das Missmanagement seiner Führungskräfte.