Europäische Schiffsversicherer, die bislang den Weltmarkt beherrschen, verlieren zumindest für die kommenden Monate bedeutende Geschäftsanteile an staatliche asiatische Anbieter. Das ist das Ergebnis von EU-Sanktionen, die es europäischen Unternehmen verbieten, Tanker mit iranischem Öl zu versichern. Das Verbot gilt seit dem 1. Juli. Mit den Sanktionen wollen USA und EU das Land im Atom-Streit zum Einlenken bringen. Japan hat bereits eine Staatsdeckung für Tanker beschlossen, die iranisches Öl importieren. Auch die indischen Reeder fordern einen solchen Schritt. “Die Strecke zwischen Indien und Iran ist nur sehr kurz, und in den vergangenen zehn Jahren gab es praktisch keine Schäden”, sagte Sabyasachi Hajara, Chef von Indiens Staatsreederei Shipping Corporation of India gegenüber der Schifffahrtszeitung Lloyd’s List.

Asiatische Länder haben sich den Sanktionen nicht angeschlossen und importieren weiter Öl aus dem Iran. Dazu gehören Japan, China und Indien. Doch die Tankerreeder dieser Länder können nicht mehr auf europäische Versicherer zurück greifen. Das ist schmerzlich für sie, weil viele der Schiffshaftpflichtversicherer oder Protection and Indemnity-Clubs (P&I) in London oder Skandinavien sitzen. Die P&I Clubs sind Schiffsversicherungsvereine, die sich in der International Group (IG) mit Sitz in London zusammengeschlossen haben. Sie decken rund 90 Prozent der weltweiten Tankflotte ab und schützen Reeder vor Schäden aus Kollisionen oder Ölverschmutzungen.
 
Länder, die weiter Öl aus dem Iran importieren wollen, müssen Alternativen finden. Japanische, chinesische oder indische Versicherer dürfen zwar Deckung geben, private Gesellschaften können aber nach Ansicht von Experten die nötigen Versicherungssummen nicht stemmen. Das liegt daran, dass sie keine Risiken aus Iran-Geschäften an europäische Rückversicherer weitergeben können.
 
Bislang ist Japan das einzige Land, das eine staatliche Versicherung bereitstellen will. Die Deckung beträgt bis zu 7.6 Mrd. Dollar pro Schiff – eine stolze Summe, die aber angesichts der möglichen Belastungen durch Ölverschmutzung keineswegs zu hoch ist. Südkorea, das eine staatliche Deckung ablehnt, kündigte an, die Iran-Ölimporte einzustellen. Die Regierung begründete den Schritt damit, dass Südkorea vollständig von europäischen Versicherern abhängt. Indien will sich Öl mit iranischen Tankern liefern lassen, die von dortigen Gesellschaften versichert werden.
 
Das wird aber nicht im alten Umfang möglich sein, da die iranischen Tanker-Kapazitäten begrenzt sind. Europäische Schiffsversicherer geben sich entspannt, was die Folgen der Sanktionen für ihr Geschäft angeht. Starke Verschiebungen von europäischen zu asiatischen Versicherern als Folge der Sanktionen erwarten sie nicht. “Die Deckung durch die International Group ist zu wichtig, als dass ein Reeder es sich leisten könnte, sein ganzes Geschäft dort abzuziehen”, sagt der Schifffahrtsexperte eines großen europäischen Versicherers. Denn nur Reeder, die eine Versicherung durch ein IG-Mitglied vorweisen können, bekommen Transportaufträge der großen Ölgesellschaften. Auch Hans-Christoph Enge vom Bremer Assekuradeur Lampe & Schwartze sieht diese Gefahr nicht: “Ich sehe nicht, dass massiv Kunden nach Asien abwandern, weil europäische Anbieter keine Deckung für Iran-Geschäfte bieten können.”