Handelsblatt: Herr Dr. Faust, was war das, was gestern und heute über Düsseldorf und Umgebung hereingebrochen ist?
Eberhard Faust: Das war eine meteorologisch nicht so ganz ungewöhnlich Wetterlage um diese Jahreszeit. Im Süden herrschte sehr heiße Luft zum Teil afrikanischen Ursprungs vor, im Nordwesten war es unter Tiefdruckeinfluss etwas kühler. Auf einer Linie zwischen Belgien und Berlin entwickelte und bewegte sich der Gewitterkomplex – unter dem Einfluss der von Nordwesten nahenden Fronten.

Also Business as usual?
Es sind Menschen zu Schaden gekommen, deshalb kann man von normalem Geschäft nicht sprechen. Und die sichtbaren Auswirkungen sind schon beachtlich. Die Bäume sind um diese Jahreszeit voll belaubt, setzen den Gewitterböen also starken Widerstand entgegen und fallen oder brechen deshalb leicht. Es gab sehr viel Niederschlag, Hagel, brennende Dachstühle, einen überschwemmten Bahnhof, einen gesperrten Flughafen.

Für einen Versicherer sind Schäden in einer so stark industrialisierten und dicht besiedelten Region ja immer keine gute Nachricht…
Da muss man einfach sein Risikomanagement richtig machen. Wir verfügen über Simulationsmodelle, mit denen wir ein bestehendes Kunden-Portfolio mit einem Kollektiv von Windfeldern überziehen, wie sie in Summe das gegenwärtige Sturmklima charakterisieren. Abhängig von der Empfindlichkeit dieses Portfolios, also der versicherten Werte, ergibt sich ein Zusammenhang mit dem erwartbaren Schadenereignis. Und aus dem jährlichen Erwartungswert und den daraus resultierenden Kapitalerfordernissen errechnet sich die Versicherungsprämie.

Muss man die Risikomodelle jetzt nicht anpassen?
Nicht wegen eines einzelnen Schadenereignisses. Gewitter gehören zu den Naturgefahren wie sie hierzulande im Sommer immer wieder vorkommen können. Um Schlüsse auf eine Veränderungsdynamik zu ziehen, sehen wir uns Ereignisse im Rückblick der letzten 30 Jahre an.

Und gibt es ein Änderungsrisiko? Der jüngst vorgelegte Weltklimabericht hat das ja wieder nahegelegt. 
Es gibt da langfristig durchaus Szenarien mit einer Tendenz zu mehr Starkniederschlagsereignissen auch in gemäßigten Breiten. Oder die Beobachtung häufiger Dürreereignisse etwa in Südeuropa mit den entsprechenden Konsequenzen für die Landwirtschaft. Vor allem aber gibt es den Trend zur Zunahme der zerstörten Werte – einfach aufgrund der Wohlstandsentwicklung.

Sollten die Menschen Schäden nicht besser vorbeugen? Ist unsere Infrastruktur auf die Unwetter ausgelegt, die uns in Zukunft erwarten?
Das ist sehr bedenkenswert. Rückstauventile oder Blitzableiter sind Dinge die jeder Hausbesitzer ins Kalkül ziehen kann. Aber auch die Landesumweltämter haben ja inzwischen reagiert, stellen zum Beispiel Karten ins Netz, die die Überschwemmungsgefährdung eines Gebietes aufzeigen. Und ich denke, dass Gewerbegebiete im Überschwemmungsgebiet vielleicht nicht mehr so leicht genehmigt werden.

Sie sind nicht nur Klimaforscher, sondern auch Theologe. Welche Beziehung haben Sie persönlich zu Gewittern?
Sie zeigen uns eindrücklich, dass die Natur sehr viel stärker ist als wir und dass wir schutzbedürftig sind. Dass die Germanen Blitz und Donner dem Gott Thor zugeordnet haben und die Griechen den Blitz dem Gott Zeus, macht deutlich, dass ein Gewitter immer schon ein kulturell tief empfundenes Ereignis war. Da wirkt eben viel Energie auf sehr kleinem Raum. Gäbe es nicht Opfer und Schäden, könnte man es auch ästhetisch als höchst beeindruckendes Ereignis würdigen.

Aber den Schluss, dass die Natur uns dafür strafen will, dass wir sie zerstören, ziehen Sie nicht?
Das Licht der Aufklärung hat uns ja glücklicherweise von der Vorstellung befreit, dass irgendjemand Schuld sein müsste an solchen Ereignissen oder dass unser Sündenkonto voll ist. Das haben wir Gott sei dank hinter uns.