Die Versicherungsexperten der Unicredit gehen davon aus, dass durch die neuen europaweit geltenden Aufsichtsregeln Solvency II vor allem die deutsche Versicherungswirtschaft belastet wird. „Es werden einheitliche Kapitalregeln für ganz Europa festgelegt, obwohl sie gerade in der Lebensversicherung nicht zu den anderen gesetzlichen Vorgaben in manchen Ländern passen“, sagte Lucio Di Geronimo, der bei der italienischen Großbank als Managing Director federführend die Versicherungskunden betreut.

Ein Beispiel für die unterschiedliche Situation in den einzelnen Ländern ist laut Di Geronimo das Zinsversprechen. In den meisten Ländern würden die Lebensversicherer ihren Kunden nur versprechen, welcher Zins am Ende der Laufzeit durchschnittlich erreicht wird. Wenn in einem einzelnen Jahr der Zins nach unten abweicht, könne das durch ein besseres anderes Jahr ausgeglichen werden. In Deutschland sei es hingegen so, dass in der Lebensversicherung der versprochene Zinssatz nicht nur am Ende der Vertragslaufzeit durchschnittlich erreicht werden muss, sondern auch in jedem einzelnen Jahr der Laufzeit. Unterm Strich geben die deutschen Versicherer damit höhere Versprechen ab. Da diese Versprechen mit Risiken verbunden sind, müssen sie nun mehr Kapital vorhalten.

Es sei nicht auszuschließen, dass künftig deutsche Versicherer ins europäische Ausland gehen würden, um von dort Versicherungen mit niedrigerem Standard wieder nach Deutschland zu verkaufen, erklärte Di Geronimo.

Der Versicherungsexperte sieht nicht nur hier noch Nachbesserungsbedarf für das ab 2013 geltende Regelwerk. Die Komplexität der Rechenmodelle würde etwa einen Großteil der Versicherungsbranche überfordern. „Es gibt noch viele, sehr wichtige offene Punkte“, sagte Di Geronimo. Daher sei nicht auszuschließen, dass die Einführung von Solvency II sogar noch verschoben werde. „Sehr viel wahrscheinlicher ist allerdings, dass die Übergangsfristen weiter gelockert werden.“

Zuletzt wurde in der Branche und der Politik zudem diskutiert, ob in dem neuen Regelwerk nicht auch das gestiegene Ausfallrisiko bei europäischen Staatsanleihen berücksichtigt werden müsste. Bisher müssen Versicherer, die europäische Staatsanleihen in ihrem Portfolio halten, dafür kein Kapital vorhalten. „Ich glaube nicht, dass das im jetzigen Umfeld noch vor der Einführung im Jahr 2013 geändert wird“, sagte Di Geronimo. Damit sprach er die Befürchtung an, dass eine solche Maßnahme die Märkte weiter verunsichern könnte und Schuldenstaaten wie Griechenland noch größere Probleme bekommen würden. Di Geronimo verwies aber darauf, dass das Einhalten von Aufsichtsregeln und das interne Risikomanagement zwei unterschiedliche Dinge seien. Bei ihren internen Risikomodellen würden die Versicherer natürlich die gestiegenen Risiken bei Staatsanleihen berücksichtigen.