Michael Diekmann hat es kommen sehen. Nach dem von Krisen geschüttelten Jahr 2011 zeichnet sich für 2012 ein nicht weniger turbulenter Verlauf ab. Als der Allianz-Chef zum Jahreswechsel eine Rochade im Vorstand des größten Versicherers Europas ankündigte, erhielt das Gremium deshalb vor allem Verstärkung im Investmentbereich und dem Geschäft mit Lebensversicherungen. Nach der Halbierung des Jahresgewinns auf 2,5 Milliarden Euro ist die Herausforderung für die Neuen klar: Sie müssen Mittel finden, um die im Zuge von Euro-Krise verbuchten Einbußen zu minimieren. Nicht zuletzt im Interesse der Kunden von Lebensversicherungen. Aufgrund historischer niedriger Zinsen verliert der Verkaufsschlager an Attraktivität.

Es war Diekmann, der 2005 den Strategiewechsel vom traditionellen Geschäft mit Schaden- und Unfallversicherungen hin zu Investmentfonds und mehr Lebensversicherungen forcierte. Inzwischen hat die Allianz eine Summe von 1,66 Billionen Euro für Kunden sowie eigenes Geld angelegt. 1999 waren es noch 384 Milliarden Euro, also weniger als ein Viertel.

Doch das Krisenkarussell drehte sich auch bei Allianz in den vergangenen Monaten immer schneller. Historisch niedrige Zinsen an den Finanzmärkten verhindern die schnelle Geldvermehrung. Zum Ärger vieler Versicherungskunden haben sie bereits zu niedrigeren Garantiezinsen für Lebensversicherungen geführt.

Für das Team um Maximilian Zimmerer, der Mitte des Jahres vom Chefposten bei der Allianz Lebensversicherung auf den des Konzern-Finanzchefs rückt, wird es deshalb vor allem darum gehen, neue attraktive Anlageformen zu finden. Zuletzt machte der amtierende Finanzchef Paul Achleitner Infrastrukturobjekte wie Gasnetze als ertragreiche, aber sichere Alternative aus.

Das seien Investments, „an denen wir weiterhin großes Interesse haben, und in die wir gern weiter investieren würden“, gab Achleitner am Donnerstag die Richtung für seinen Nachfolger vor.

Die Allianz ist seit vorigem Jahr bereits an dem norwegischen Netzbetreiber Gassled beteiligt. Dessen größtes Hochseegastransportnetz der Welt verbindet Hochseegasfelder des norwegischen Festlands mit Terminals in Kontinentaleuropa und Großbritannien. „Wir erwarten eine laufende Verzinsung von acht bis zehn Prozent“, sagte Achleitner nicht ohne Stolz und fügte hinzu: „Ruhrgas würde sehr gut in das Investitionsnetz passen.“ Laut Medienberichten führt der Versicherer seit geraumer Zeit Gespräche über den Kauf des 12.000 Kilometer langen Gasnetzes der Traditionsfirma.

Details dazu ließ sich der Finanzchef nicht entlocken. Sein Faible für Investitionen in Infrastrukturobjekte ist jedoch bekannt. Neben gut kalkulierbaren Erträgen seien sie ein sicherer Schutz vor der Inflation. Auch von erneuerbaren Energien wie Solar- und Windparks verspricht sich der Vorstand Renditen von sieben bis acht Prozent.

Das Dauertief an der Zinsfront macht der Branche nicht nur in der Lebensversicherung zu schaffen. Bereits im September schlug der Schweizer Rückversicherer Swiss Re Alarm. „Die tiefen Zinsen waren der größte Schock der letzten drei Jahre“, sagte deren Finanzchef Brian Gray – weit bedeutender als die schweren Naturkatastrophen in Japan und Neuseeland. Wenn die Beiträge nicht deutlich stiegen, drohe das Zinstief die Gewinne der Branche langfristig aufzuzehren.

Während Lebensversicherer Probleme bekommen, die vor Jahren versprochenen Garantiezinsen für ihre Kunden zu erwirtschaften, gehen die Niedrigzinsen in der Schaden- und Unfallversicherung zu ihren eigenen Lasten. Auch dort legen sie die Beitragseinnahmen an den Kapitalmärkten an. Wenn dort die Rendite nicht stimmt, müssen sie bei den Versicherten an der Beitragsschraube drehen