Einen so engen Schulterschluss zwischen der Allianz und der Bundesregierung hat man selten gesehen. Der sonst mit öffentlichen Auftritten so zurückhaltende Allianz-Chef Michael Diekmann und Bundesfamilienministerin Kristina Schröder eröffneten vergangene Woche einen gemeinsamen Demografie-Kongress in Berlin und spielten sich in ihren Reden gegenseitig die Bälle zu.

Gemeinsame Interessen gibt es nicht nur beim Thema Alterung der Gesellschaft. Auch bei der Commerzbank sitzen die Bundesregierung und Deutschlands größter Versicherungskonzern an einem Tisch. Der Bund ist größter Aktionär, und die Allianz hält seit dem Verkauf der Dresdner Bank noch Anteile.

Eine Schlüsselrolle spielt aber vor allem eine stille Einlage der Allianz bei der Commerzbank in Höhe von 750 Millionen Euro. Bei der dringend notwendigen Rekapitalisierung des Kreditinstituts soll diese in hartes Kapital umgewandelt werden – zum Beispiel, indem die Allianz ihre Beteiligung in Aktien umwandelt.

Doch „noch ist keine Entscheidung über das Ob und das Wie gefallen“, hieß es am Wochenende in Finanzkreisen. In Regierungskreisen hieß es dagegen, die Allianz sei an Bord. Was treibt Diekmann, der Commerzbank aus der Patsche zu helfen? In Berlin sehen manche die Allianz in einer Bringschuld. Dem Versicherungskonzern war es 2008 gelungen, seine schwächelnde Tochter Dresdner Bank gerade noch rechtzeitig vor dem Höhepunkt der Finanzkrise an die Commerzbank zu verkaufen.

Später wurde zeitweise über eine Rückabwicklung des Dresdner-Bank-Kaufs durch die Commerzbank diskutiert. Doch der Bundesregierung passte das nicht. Das Risiko war damals zu groß, dass damit der Alteigentümer Allianz – bei der Millionen Deutsche ihre Lebensversicherung haben – und damit die gesamte deutsche Versicherungsbranche in den Strudel der Finanzkrise geraten wäre. Nun aber könnte Diekmann zurückzahlen – eine Hand wäscht die andere.

In Finanzkreisen wird das zurückgewiesen. „Die Allianz ist Commerzbank-Aktionär und profitiert von jeder guten Lösung.“ Diekmann habe keine Geschenke zu verteilen. Die Folge wären wohl auch Schadensersatzklagen von Allianz-Aktionären. Die stillen Einlagen seien ein normales Kapitalmarktinstrument gewesen mit einer guten Verzinsung – die allerdings wegen der schwachen Ertragslage zuletzt nicht bedient wurde. Diekmann könne dies nur gegen ein anderes, werthaltiges Kapitalmarktinstrument wandeln. Allerdings wird in Finanzkreisen betont, dass auch die Allianz an einer „Marktlösung“ interessiert sein müsse. Schließlich ist der Konzern einer der wichtigsten Spieler auf dem Kapitalmarkt.

Es gibt also Interpretationsspielraum, was alles im Sinne der Allianz-Aktionäre und -Kunden sein könnte. Zumal eine mit den Gesprächen vertraute Person sagte: „Die Interessen sind natürlich sehr unterschiedlich: Der Commerzbank geht es um hartes Eigenkapital, das sie braucht. Davon ist aber die Allianz nicht sehr angetan, weil sie dann ein höheres Risiko hat. Die Allianz wiederum leidet unter einem Anlagenotstand und sucht nach Möglichkeiten, ihr Geld sicher anzulegen.“

Für Diekmann war die Trennung von der Dresdner Bank eine seiner wichtigsten Herausforderungen als Allianz-Chef. Als Vorstandsmitglied hatte er den unter seinem Vorgänger Henning Schulte-Noelle beschlossenen Kauf einst mitgetragen. Bei Verkündung der Akquisition schwärmten Schulte-Noelle und Dresdner-Bank-Chef Bernd Fahrholz vom „Bilderbuchstart in die Welt der integrierten Finanzdienstleistungen“.

Doch das Timing des Kaufs, vor dem Einbruch der Aktienmärkte nach dem 11. September 2001, war denkbar ungünstig. Die Investmentbank der Dresdner ließ sich danach nicht mehr losschlagen. Und auch strategisch erfüllten sich die Träume vom Allfinanzkonzern nicht. Die Dresdner erwies sich als Fass ohne Boden.

Versicherungspolicen, das weiß Diekmann heute, lassen sich mit Hilfe von Kooperationen auch über Bankschalter verkaufen, ohne dass man gleich eine Bank übernimmt. Das zeigt auch ein Blick auf die Kooperation von Allianz und Commerzbank. Der Versicherungskonzern ist nur noch mit einer kleinen Beteiligung von unter fünf Prozent engagiert. Doch die Vertriebskooperation läuft sehr gut. Die Commerzbank arbeitet im Fondsgeschäft eng mit der Allianz zusammen. Im Bereich der Altersvorsorge und der Versicherungen ist die Allianz sogar der einzige Produktpartner der Commerzbank.

Die stille Einlage, die nun in hartes Kapital gewandelt werden soll, ist ein Erbe aus dem Verkaufsdeal. Den hatten Diekmann und sein Finanzvorstand Paul Achleitner Beobachtern zufolge geschickt eingefädelt. So unglücklich das Timing beim Kauf der Dresdner war, so günstig war es beim Verkauf unmittelbar vor der Lehman-Pleite.

In Finanzkreisen wird damit gerechnet, dass in der kommenden Woche eine Lösung unter Dach und Fach gebracht wird. Derzeit werde im Commerzbank-Vorstand auch darüber nachgedacht, Mitarbeitern den variablen Teil ihres Gehalts für das Jahr 2011 in Aktien des eigenen Instituts auszuzahlen. 2010 habe dieser Posten 437 Millionen Euro ausgemacht, berichtete das Magazin „Der Spiegel“.

Es bleibt aber laut Verhandlungskreisen wahrscheinlich, dass die Allianz weitere Commerzbank-Anteile übernehmen wird. Diese Rolle rückwärts – ein wieder stärkeres Engagement bei einer Bank – ist für Diekmann allerdings keine sehr verlockende Perspektive. Daher waren bis zuletzt Lösungen im Gespräch, die stille Einlage auf anderem Weg zu hartem Kapital zu machen. Der Druck auf die Allianz ist umso größer, als der Versicherungskonzern auch schon ankündigte, bei der Kapitalerhöhung der italienischen Großbank Unicredit mitzuziehen.

Diekmann hat in den vergangenen Jahren eine auffallende Wandlung vollzogen. Hielt er sich lange aus öffentlichen Debatten heraus, urteilen Beobachter nun: „Er hat sich geöffnet.“ Auch beim Thema Commerzbank wird er seinen Beitrag zur Stärkung des Instituts leisten. In Berlin wird man dafür dankbar sein. Doch alles, was den deutschen Finanzsektor stabilisiert, nützt auch dem Kapitalmarktakteur Allianz.